Flapsige Bemerkung mit Folgen
Es begab sich zu der Zeit, als sich das achte Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts dem Ende zuneigte. Man schrieb Freitag, den 23. Juni 1989 und feierte bereits das 765. Schützenfest des Bürger-Schützen-Vereins, als sich eine kleine Schar illustrer Männerköpfe an der Theke des Festzeltes auf der Reitbahn rein zufällig versammelte und sich in wichtige Gespräche über das Thema des derzeitigen und zukünftigen Schützengeistes vertiefte. Bei so manchem Bierchen, das reihum ausgegeben wurde, stellte man fest, dass an dem letzten Schützenfest des achten Jahrzehnts eine neue Ära eingeläutet werden sollte, die weit in das neue Jahrzehnt ausstrahlen sollte. – Bisher war es ja üblich, dass Königsaspiranten sich akribisch auf den goldenen Schuss auf den Adler vorbereiteten und entsprechende Vorkehrungen im Vorhinein trafen.
Aber an diesem Abend änderte sich dieser ungeschriebene Brauch jäh, als ein gewisser Dieter Hagedorn beim Auflassen einer seiner Runden seinem Mit-Zecher Geraldo eröffnete: „Wenn ich morgen das Ding runterhole, soll Deine Frau Königin werden. Stimmste zu?“ – „Du, …“ ,antwortete der für seine stoische Ruhe bekannte Geraldo, „ das musste der Sigrid schon selber sagen, die ist ja schon volljährig und darf bei mir selber entscheiden; mir ist das doch egal; im übrigen handelt es sich um einen Adler und nicht um irgendein Ding“. Der Abend nahm seinen Verlauf, über den nicht nähere Einzelheiten bekannt sind. Bei nächtlichem Nebel war wohl auch kaum etwas zu bemerken.
Der Samstag dieses Schützenfestes zeigte sich mit verheißungsvollem Sonnenschein. Nach dem üblicherweise kräftigenden Schützenfrühstück absolvierte man seine Pflicht durch aktiven Einsatz bei der Parade und dem anschließenden Stadtrundmarsch, bei dem der Kommandeur sich noch des unerwarteten Königsaspiranten Dieter versicherte (bei Fromme an der Ecke), denn der konnte nur dann König werden, wenn das nächste Schützenfest verschoben würde, weil Dieter doch einen Amerikaaufenthalt für 1990 schon fest gebucht hatte, der nicht verschiebbar war. Der Kommandeur Wilhelm Krewet stimmte zu mit den Worten: „Das klappt, ich nehme das auf meine Kappe!“ Dem Kommandeur soll dem Vernehmen nach ein großer Stein vom Herzen gefallen sein, dass ein Königsaspirant plötzlich vorhanden war.
Auf dem Schützenhof eingetroffen unterzog man sich erst einmal einer Stärkung mit Zielwasser. Bald darauf fielen unüberhörbar auch die Schüsse auf die Preise. Merkwürdigerweise versammelten sich, wie sonst üblich, keine Mitbewerber unter der Adlerstange. Und so kam es wie am Vorabend beschlossen; König ward nun Dieter III und Königin wurde Sigrid I.
Unvorbereitet, wie Dieter sich stets gerne hat, musste nun nach dem Malheur auch noch ein Hofstaat her. Hilfsbereit strömten die Hofeshauptleute aus in die Schützenmenge, um behilflich zu sein. Seine Majestät hat aber den Wunsch geäußert, der Hofstaat müsse aber zur Hälfte auch aus jüngeren Schützen und ebensolchen Hofdamen bestehen. Unverhofft kommt manchmal oft, erschien mein Hauptmann Rolf Lohmann bei mir und eröffnete mir, ich müsse als Adjutant in den neuen Hofstaat, was ich zunächst ablehnte, da ich ja erst im Vorjahr dem Verein beigetreten war und niemanden näher kannte. Worauf meine Frau Monika, die neben mir stand, sich brüsk einmischte und sagte: „So was kannste aber nicht ablehnen!“ Wie sich hinterher herausstellte, war ich Opfer meiner vorlauten Reimsprüche aus der Nachfestfeier des Vorjahres im Osterkamp geworden.
Rolf Lohmann führte mich zum neuen König und stellte mich vor mit den Worten: „Hier haste meinen Hofesdichter, viel Glück!“ „Wie heißt der denn noch?“, wurde zurückgefragt. Inzwischen hatten sich im Umkreis noch mehrere Schützen eingefunden, die sich erst einmal gegenseitig vorstellen mussten; erstaunlicherweise auch junge Schützen mit ihren reizenden Hofdamen, wie schön anzusehen. Wie dieser Hofstaat in der Kürze der Zeit zustande kam, bleibt wohl ein Geheimnis oder gibt Aufschluss über den damaligen „gesunden Schützengeist“ im BSV.
Bernd Rosenthal meinte, dass sein Vater mir mit einem Frack für meine neue Funktion aushelfen könnte. Er hat damals gut gepasst, was man heute so nicht mehr sagen kann. Ihm nachträglich noch ein herzliches Dankeschön!!!
Das Hofstaatmotto hatte Dieter mit der Kurzformel: „Spaß an der Freud‘!“ ausgegeben. So startete eine „Ad-hoc-Regentschaft“, an die wir alle noch gerne zurückdenken. Ob es der Hofstaatausflug in die bayerische Hauptstadt München (ohne Grenzkontrollen) war oder das Offizierfest in der Paradieser Schützenhalle, die Visiten bei den anderen Vereinen oder die Silvesterfeier und die Karnevalsfete in Opmünden. Der Winterball im Schulzentrum mit den hervorragenden Beiträgen der Ballettschule Cardiano und den Vorführungen der Tanzschule Peperzack haben alle sehr genossen. Dass die Aula bis auf den letzten Platz besetzt war, zeugte wohl von der Popularität des amtierenden Königspaares mit seinem jugendlichen Hofstaat.
Wir alle hatten viel Freude und behalten die Regentschaft von Dieter III und Sigrid I. in bester Erinnerung.